Dienstag, 9. Juni 2015

Das Leben auf der Quinta - Teil 3

Okay, dann wende ich mich heute mal dem Nachmittag, dem Abend und der Nacht zu und erzähle Euch, was da so abgeht. 

Nachdem sich also alle im Tal eingefunden haben, marschiere ich schon mal langsam los, rauf auf den Berg und die Bande tobt quer durch´s Gelände. Einige bleiben immer bei mir, andere schauen mal vorbei, ob ich noch lebe und gehen dann wieder spielen, wieder Andere sagen: "der kann mich mal, ich renn doch nicht jeden Tag den Berg rauf" und sie bleiben deswegen unten, wo es ja auch jede Menge zu entdecken gibt. Im Winter fließt unten der Fluss und während Mensch friert, tobt Hund durch´s Wasser, auch wenn keine Sonne scheint.

Man müsste ja denken, dass alle mittlerweile jeden Stein und jeden Strauch im Tal kennen, aber irgendwie ist es doch immer wieder spannend, weil es jede Menge zum Schnuppern gibt, da mal eine Schlange zu beschnüffeln, dort ein paar Skorpione, dann gibt es auch jede Menge Rebhühner und natürlich die Schwalben, mit denen sich trefflich spielen lässt. Den Wildtieren passiert dabei nichts, denn die Hunde tun ihnen nichts, selbst Kröten und Frösche werden nur angebellt aber niemals gepackt, das ist echt toll. Die Vögel spielen mit ihnen und haben Spaß daran im Tiefflug über die Köpfe zu sausen. Insbesondere Buck jagt den Schwalben dann bis zur Erschöpfung hinterher. Als kleinen Snack zwischendurch genießt man dann noch die weltberühmten Pferdeäpfel im Speckmantel.

Die Schmusbande bleibt immer bei mir und ich hab kaum genug Hände. Hinsetzen kann ich mich da leider nicht und selbst einen Schuh zubinden ist nicht machbar, denn sobald ich mich nach unten beuge, werde ich überfallen. Bei ein oder zwei Hunden wäre das ja kein Problem, aber bei sooo vielen, übersteht man das nicht unfallfrei. Ich hab schon öfters mal den Halt verloren, bin ausgerutscht und ein paar Meter den Berg runtergerollt. Auf dem steinigen Boden, kann das echt wehtun. Dann allerdings kommen alle wie auf Kommando aus allen Himmelsrichtungen zusammen und schauen mich besorgt an. 20 Schlabberzungen im Gesicht bringen mich dann auch ganz schnell wieder auf die Beine ....

Wenn KaySi mit ihren Arbeiten - Beschreibung s.u. - fertig ist, kommt sie nach und rennt erst mal suchend durch´s Tal, um uns zu finden, denn ich verlasse bisweilen auch mit der Bande das eingefriedete Areal. Es ist zwar mit knapp 2 Ha recht geräumig, aber draußen ist es natürlich immer noch spannender.

Jetzt fragt sich der geneigte Leser, wieso das alles so friedlich und problemlos klappt, trotz sooo vieler Hunde. Ich fass das hier mal kurz zusammen:

Der gesamte Clan ist in 4 Gruppen aufgeteilt, die man als Rudel bezeichnen könnte. Diese Rudel haben ihre Bereiche in denen sie tagsüber leben und ihre Sozialstruktur festigen. Damit wir flexibel bleiben, organisieren wir nach dem Talgang die Bereiche aber um, sonst enstehen Rivalitäten und Revierkämpfe. Somit ist jeder irgendwann am Tag auch mal woanders. Das Tal an sich gilt als neutraler Boden und da gibt es keine Rivalitäten. Rivalitäten entstehen eigentlich nur dann, wenn Zäune Rudel trennen, dann wird sich gegenseitig durch den Zaun angemacht. Das vermeiden wir durch wechselnde Rudelbereiche.

Die Rudel selbst haben sich sozusagen zusammengeschlossen, was sie tagsüber durch regelmäßiges Rudelheulen immer wieder festigen. Somit hat zwar jedes Rudel seinen Chef, aber zusammen im Tal sind sie eine Einheit und da alle eh keinen Hunger haben, gibt es auch keine Rivalitäten und kein Jagdverhalten. Diese Energie fließt dann in ein ausgeprägtes Sozialverhalten, was dazu führt, dass behinderte, kranke oder alte Hunde nicht ausgeschlossen, sondern umsorgt werden. Es gibt keinen Konkurrenzdruck. Hunde wie unsere behinderte Coco werden umsorgt und von Anfang an aufgenommen, ohne sich beweisen zu müssen. Außerdem steht es jedem Hund frei, mit ins Tal zu gehen oder nicht. Die Tore sind auf und wer will, der geht. Ältere Hunde haben, insbesondere im Sommer, manchmal gar keine Lust und bleiben dann eben zuhause.

Als wir noch knapp 100 Hunde hatten, lief es genauso ab, allerdings war es damals wichtig einen Alpha wie Rex zu haben, denn gerade junge, unkastrierte Rüden neigen schon mal zu rüpeligem Verhalten und da muss dann einer für Ruhe, Ordnung und Disziplin sorgen. Jetzt mach ich halt den Alpha, was mit ein paar, wenig menschlichen Lauten auch kein Problem ist.

Erstaunlich war die Zeit, als ich krank war, ist ja noch nicht so lange her. Da musste KaySi alles alleine machen und der Clan war komplett verunsichert. Die Routinen waren anders und das brachte sie ins Grübeln. Manche Hunde blieben dann gleich ganz zuhause. Allein die Veränderung war das Thema. Feste Routinen geben den Hunden die Sicherheit und obwohl sie KaySi ja genauso gut kennen, wie mich, kann sie meinen Platz nicht ersetzen und ich den ihren nicht. Es passiert zwar nix, aber man sieht die Fragezeichen in den Augen und über den Köpfen schweben. Wenn sie also mit ihnen ins Tal und auf den Berg ginge und ich die Arbeiten unten machen würde, sähen wir kopfschüttelnde Hunde, die die Welt nicht mehr verstehen. Deswegen habe ich gestern gesagt: "Der Hund ist ein Gewohnheitsmensch".

Nachdem KaySi also bei mir angekommen ist, keuchend und stöhnend, weil es gestern doch mal wieder ein paar Selbstgedrehte zu viel waren und sie eh jegliche Art von Spaziergängen hasst - aber was macht man nicht alles für die lieben Kleinen - gehen wir zusammen langsam runter und zurück. Dann sortiere ich diejenigen, die Spezialfutter bekommen aus und nehme sie mit in die Krankenstation. Der Rest futtert friedlich nebeneinander und die Futternäpfe darf auch nur KaySi verteilen und nicht ich, denn das ist die Routine. Sie hat, während ich auf dem Berg war, Futter vorbereitet, nochmal alles gereinigt, Reviere ausgespritzt, Häufchen gesammelt und alles tiptop gemacht, die Hufe der Pferde gesäubert, die Mähnen gekämmt und das Fell gestriegelt, denn kein Pferd will schmutzig sein Abendessen zu sich nehmen.

Ich wackel aktuell mit Bernhard und Bianca, Mary-Jane, Clarissa und Maxe-Bub in die Krankenstation und kümmere mich darum, das jeder auch nur das futtert was er soll. Das klappt ohne Stress, weil sie das alle kennen und jeder weiß, wo er was essen soll. Medikamentengabe folgt gemäß Plan.

Dann kontrolliere ich den Wasserstand im Tank und die Pumpen, schnapp mir eine Tupperdose und besuch die Wutzis, die jeden Abend von mir noch Äpfelchen erwarten, handgefüttert natürlich ...

Im Anschluss gehe ich nach oben, sammel meine Frau und den Rest der Bande ein, soweit die alle aufgegessen haben, oder aber warte bis es soweit ist. Dann kommt das, was die Linkspartei in Deutschland "Umverteilung" nennt. Wir verteilen die Rudel in die Bereiche um, wo sie dann auch die Nacht verbringen und das sind andere Bereiche als tagsüber. Auf diese Weise ist letztlich jeder überall zuhause.
Gemeinsam wenden wir uns dann den Intensivpflegefällen zu, wie aktuell der Penina. Die ist ja zu der Zeit zusammen mit Balti im Pflegebereich, der direkt vor unserem Schlafzimmer liegt. Es werden die passenden Spritzen und Medis gegeben und je nach Jahreszeit kommen die Vögel dann schon mit ins Haus zu Bonny oder bleiben noch draußen, weil es da einfach kühler ist. Im Winter sind eh alle bei uns im Haus, weil es trocken und ein wenig wärmer ist. Unsere Schlafzimmertüre hat eine Fliegentüre davor - wie in amerikanischen Filmen - und Bonny kann diese selbständig öffnen sodass es ein fröhliches Ein- und Ausgehen ist, ohne dass wir Mücken und Fliegen im Haus haben, was hier ein echtes Thema ist.

Jetzt wird noch das 4. Rudel unter dem strengen Regiment von Shine versorgt, denn die haben mittlerweile gegessen und wollen raus. Dazu gehören unsere echten Straßenhunde Hope, Piranha und Bica, eigentlich auch Lissy, die aber ob ihrer leichten Sehschwäche ganz zuhause bleibt. Ohne Augen sieht sie halt nicht ganz so gut wie die Anderen und geht nur spazieren, wenn ich dabei bin. Das aber klappt problemlos. Deswegen gehe ich auch regelmäßig mit der vorderen Truppe draußen spazieren, was ich damals mit Cascas angefangen habe, damit er Sozialkompetenz lernt und eben auch ein eigenes Rudel hat. Jetzt ist er schon 1 Jahr tot und noch immer kann ich es nicht wirklich begreifen. Er war ein Kampfund, wie Rex und er wurde zum normalen, lieben Hund, der keinem was tat und mit Anderen sehr verträglich war. Einige von Euch kennen ihn ja persönlich und leben heute immer noch ...

Dann ist es so ungefähr 20:30H und wir spurten ins Haus. Ok, jetzt muss ich, entgegen meinem Bericht im allerersten Blog, doch gestehen, dass wir duschen. Is mir zwar peinlich diese Wasserverschwendung zuzugeben, aber ... es muss sein. Nein, nicht wegen der Hunde, im Gegenteil. Den Hunden wie auch den Wutzis kann man nichts Schlimmeres antun, als frische Klamotten zu tragen und frisch geduscht zu sein. Sie mögen diesen künstlichen Geruch nicht, weshalb ich - das ist kein Witz - meine Talhose sehr sehr selten wasche.
Ein Beispiel: wir wollten irgendwann abends mal einkaufen gehen und ich hatte vergessen, einen Pumpenhahn zu schließen. Also bin ich geduscht und in Ausgehklamotten nochmal zum Clan gegangen und das hat für Chaos gesorgt. Winnie ist erst mal auf mich losgegangen, die anderen waren völlig verwirrt und es bedurfte einiger beschwichtigender Worte, bis sie begriffen haben, dass ich es bin.

Jetzt kommen wir in diesem Zusammenhang zu meiner Nachtrunde. Ich gehe nachts zwischen 02:00H und 02:30H ins Bett, weil ich einerseits noch Medis verteilen muss und andererseits kontrolliere, ob die Pferde alle fit sind und keine Kolik ansteht. Das kommt zwar selten vor, aber wenn, dann muss man schnell reagieren. Würden wir die Pferde also 8-9 Stunden unbeobachtet lassen, könnte das tödlich enden. Spätestens jetzt kommen auch Balti und Penina ins Haus, Bonny schlummert um diese Zeit eh schon bei KaySi im Arm. Im Winter läuft das allerdings anders, denn da ist es sehr früh dunkel und kalt, sodass alle Pflegehunde meist den ganzen Tag im Haus sind.

Ich hab nachts Hausklamotten an und bin auch soweit sauber und geduscht. Wenn Diana mich sieht rennt sie bellend weg und ich habe es bisher noch nie geschafft, sie nachts anzufassen, obwohl sie mich liebt und tagsüber immer schmusen kommt. Ich kenne dieses Verhalten schon seit wir Hunde haben, aber wirklich verstanden habe ich es erst, als ich das wirklich empfehlenswerte Buch von Shaun Ellis gelesen habe, der ja jahrelang mit einem Wolfsrudel gelebt hat und zwar in der Wildnis. Was er da beschreibt, kann ich nur bestätigen, es ist das, was wir hier auch beobachten und zeigt, wie nah der Hund am Wolf ist, wenn man ihn nur Hund sein lässt.

Wer meine Erzählungen in animierter Form sehen möchte ... wir haben einen YouTube Kanal namens Spikinet, dort gibt es rund 180 Filme und man bekommt eine Idee von dem was hier abgeht.

Tja, was machen wir sonst noch so? Das was ich bisher beschrieben habe, sind die täglichen Routinen 365 Tage im Jahr. Damit ist es aber nicht getan, denn Hunde brauchen auch Pflege, was sicher jedem einleuchtet. Aktuell ist KaySi ja als Frisörin unterwegs und nix und niemand ist vor ihrer Schermaschine sicher. Scheren ist im Sommer absolutes Must Do, denn bei der Hitze würden langfellige Hunde ganz schön leiden. Bürsten ist allerdings für alle angesagt und sie lieben es. Dann ist da noch das Krallenschneiden, Ohren sauber machen, Decken in den Hütten wechseln - die ich dann nachts waschen darf, weil nur nachts der Strom so stabil ist, dass die Waschmaschine nicht kaputt geht - Scalibors sauber machen, denn die muss man ab und zu abwaschen, damit sie weiterhin ihren Dienst tun und noch so manches Andere, worüber ich dann im nächsten Blog berichte. Der Pflegeaufwand ist bei uns nicht anders, als bei einem normalen Einzelhundehalter, nur eben multipliziert mit 50 und damit bräuchte unser Tag auch schon mal ein paar Stunden mehr, um alles zu schaffen.

Für heute soll´s genug sein, sonst bekommt Ihr ja noch viereckige Augen. Somit einen schönen Restdienstag und ein Gedenken an unseren Cashi-Bär - der einzige Mann, der die wüste Shine je bändigen konnte. Tja, hier muss der Mann noch ein Mann sein, um sich durchsetzen zu können, is wie damals bei den Neanderthalern ... Natur eben.




1 Kommentar:

  1. Bei den Berichten hat man beinahe das Gefühl, überall mitzulaufen - den Berg hinunter, zum Tal und zum Fluß -, die Hunde zu sehen und zu hören, die Fütterung mitzuerleben und all die kleinen und großen Dinge, die euch tagein/tagaus begleiten. Die "Talhose" ist ja witzig, aber wahr: ich habe ein "Schnuffelhemd"!

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