Montag, 8. Juni 2015

Leben auf der Quinta - Teil 2

Weiter geht´s mit Infos zu dem, was wir hier so treiben oder besser gesagt, was uns hier so antreibt. Ja, genau genommen fühlen wir uns eher getrieben und in einen sehr strengen Arbeitsvertrag eingebunden, den der Clan mit uns geschlossen hat und dabei wird besonderer Wert auf Ordnung, Sauberkeit und Pünktlichkeit gelegt, ansonsten wir der Wind recht frisch, der hier weht.

Apropos Wind: am Wochenende haben uns gleich 2 Tornados heimgesucht, also nicht so, wie man es aus den USA kennt, aber dennoch ... für hiesige Verhältnisse war es schon beachtlich. Morgens um 09:00H fegte der erste vom Foia (dem höchsten Berg der Algarve) herunter zu uns und dann nachmittags um ca. 15:00H kam der Zweite angerauscht. Die größten Schäden erlitten unsere Bäume von denen es armdicke Äste runtergehauen hat und leider trafen auch einige unser Dach und das war dann kaputt. Heute große Reparaturaktion ..... Ok, keine Sorge, ich berichte jetzt nicht über Dachkonstruktionen in südlichen Ländern, wobei das ein wirklich interessantes Thema ist!!!! Nur soviel: die Dachziegeln, die man hier traditionell verarbeitet, werden Mönch und Nonne genannt. Also lasst Eure Phantasie spielen und ratet mal, warum die so heißen.

"Der Mensch ist ein Gewohnheitstier" hat meine Oma immer gesagt und mein Opa, seines Zeichens Rektor am Gymnasium und Offizier im ersten Weltkrieg mit EK-I Orden, meinte stets zu mir, dass Zucht und Ordnung die Basis für ein gottgefälliges Leben seien. Dabei schaute er mich immer recht streng an, wobei sein Glasauge eher durch mich hindurch zu schauen schien. Ich war damals noch keine 10 Jahre alt, aber ich hab´s begriffen, zumal Kreuze und Bilder vom Papst im ganzen Haus präsent waren. Opa war Musik- und Religionslehrer und hat mich bibelfest gemacht und meine musikalische Früherziehung gefördert. War aber ok, hab nie Schläge bekommen, was damals eher eine Ausnahme war. Warum ich das erzähle??? Nein, nicht um Euch zu langweilen, sondern - und jetzt kommt die Überleitung zum Thema - um Euch zu erklären, warum wir hier so agieren, wie wir agieren.

"Der Hund ist ein Gewohnheitsmensch" sag ich immer in Umkehrung des Spruches meiner Oma und so isses auch. Dass hier bis zu 100 Hunde friedlich und frei zusammenleben, ist etwas, das laut Experten gar nicht geht. Jaaa, ich liebe Experten. Wann immer was passiert, kommen sie aus ihren Büros gekrochen und wissen plötzlich ganz genau, warum was wie wo passiert ist und wie man es hätte verhindern können. Besonders lieb hab ich ja Ralf Benkö von RTL, der Urlaubsexperte und letztens, als die German Wings abgestürzt ist, war er sogar Luftfahrtexperte, boaaah.

Ok, ich schweife ab ... aber Experten sind super, ich liebe z.B. auch Frank Weber, denn der ist Tierschutzexperte und ich frage mich, wie man sowas wird und wo man das lernen kann.... wie auch immer, Experten haben mir schon vor 15 Jahren gepredigt, dass das, was wir hier treiben, so niemals funktionieren wird, damals hatten wir ca. 25-30 Hunde, Enten, Hühner, ein Schweinchen und die 3 Höppels. Blöderweise haben sich alle super vertragen, obwohl sie alle frei waren. Als es dann wesentlich mehr wurden, hatten wir das Glück unseren unvergessenen Rex zu bekommen, der eigentlich Tristan hieß. Er war ein echter Alpha, souverän und eine natürliche Autorität. Damit konnten wir auch 99 Hunde im Zaum halten und die Älteren unter Euch, kennen ihn ja und haben es hier live erlebt. Was aber ist das Geheimnis der Ganzen???

Der o.a. Spruch und unser o.a. Arbeitsvertrag, dazu noch mein Opa, der mir in den 62 Jahren meines Lebens nie aus dem Kopf ging, schon wegen des furchteinflößenden Glasauges nicht, das alles ist die Basis unseres Treibens hier. Routinen, feste Abläufe, Vertrauen in die Gumminasen und absolute Verlässlichkeit sind die Grundpfeiler eines guten Soldaten ... neee Quatsch ... eines guten Hundehalters natürlich.

Unsere 365 Tage/Jahr sind davon geprägt. Alles hat seinen festen Ablauf und alles findet immer zur selben Uhrzeit statt. Das größte Problem sind die 2 x jährlich stattfindenden Zeitumstellungen, die wir immer ganz behutsam vorbereiten müssen, damit die Rasselbande nicht unsicher wird.

Wie sieht unser Tag aus??? Morgens pünktlich um 6:50H spurtet KaySi (ja, Karin wollte auch einen schicken Spitznamen haben, so wie ich) aus dem Bett nach draußen zu den gegenüberliegenden Pferdeställen und serviert das Petit Déjeuner, wie meine Vorfahren väterlicherseits es nannten - eben das Frühstück. Ich liege da noch im Koma, warum erfahrt ihr später. Dann macht KaySi das, was jede Frau morgens macht ... sie ... naaaa .... nein, nicht schminken, sondern erst mal Kaffee trinken, dann folgt die erste Selbstgedrehte und dann kommt die Schminkerei, denn ich find Schminke voll cool. Um 08:00H spurtet sie dann nach draußen und entlässt die Pferde in die Wildnis, wo sie den ganzen Tag rumtoben können wie sie wollen. Platz haben sie ohne Ende. Die Pferdeställe werden als Erstes blitzeblank gewienert, denn KaySi ist ja eine echte Pferdefrau.

Die einzelnen Rudel werden dann umsortiert und alles wird mit Schlauch und Schüppe gereinigt. Wasserbottiche werden gereinigt und neu befüllt. Die, die nachts nicht zusammen waren, kommen jetzt zusammen und bilden 2 "Tagesrudel", die sich dann miteinander amüsieren können. Ein Rudel hat seinen Bereich oben und ein Rudel lebt im Garten der Krankenstation, das sind die Älteren und Pflegeintensiveren. Die erste Runde Medikamentengabe macht sie auch gleich in einem mit und diese Runden verteilen sich dann noch gleichmäßig über den Tag und betreffen auch die gesunden, aber alten Hunde, die was für die Nieren und das Herz brauchen

Ich schäle mich in der Zwischenzeit aus meiner Bettdecke und glaube nicht, dass es schon 10:00H ist. So schwanke ich also erst mal ins Bad - nein ich trinke keinen Kaffee und ich rauche auch nicht -, wasch mich aber, schminke mich nicht, schmeiß den PC an und seh zu, dass ich die Verwaltung auf die Reihe kriege, samt Buchhaltung. Gegen 11:00H trudelt KaySi ein und holt mich ab, um die Intensivpflegefälle zu bearbeiten. Aktuell ist das Penina, die ja allerlei Medis braucht, Spritzen etc. Manchmal sind es auch mehrere Hunde und da ist dann auch Deckenwechsel etc. angesagt.

Dann ist es auch schnell Mittag und wir trollen uns ins Haus, um das zu machen, was man Neudeutsch "Brunchen" nennt. Ok, wir haben halt einfach Müsli, ich einen Tee, KaySi einen Kaffee und dabei höre ich Nachrichten und nerve meine Frau gewaltig mit allen möglichen Erklärungen über politische Zusammenhänge, Ursachen und warum man es eigentlich anders machen sollte. Sie nimmt´s mit stoischer Ruhe hin, ist sich aber der Tatsache bewusst, dass es abends passieren kann, dass ich sie während der aufgezeichneten Tagesschau abfrage. Deswegen sage ich immer: "schreib´s dir besser auf". Das hab ich von Cäsar übernommen. Der hat auch immer zu seinem Schreiber gesagt: "Schreib auf, was ich hier gesagt habe" und so kam sein berühmtestes Buch zustande: "Der gallische Krieg". Ok, mein Buch musste ich selber schreiben ... das war halt Pech.

Nach dem Brunch kommt das Internet dran. Facebook, Gockel plus, Mails und das routinierte Kopschütteln und sich über die Menschheit wundern. Aber ... es hat auch was Gutes, denn man lernt Gelassenheit angesichts so viel geballter Ignoranz und Dummheit. Früher sagte man über die Deutschen sie seien das Volk der Dichter und Denker ... ok, dicht sind sie nicht und deswegen müssen sie abgedichtet werden, naja und das Denken wird dem Deutschen ja abgenommen, denn das machen die Politiker für ihn und ihre "political correctness", die beste Erfindung seit die Pressefreiheit abgeschafft wurde. Was wären wir ohne die Politiker und ihre Gesetze, die immer mehr in die persönliche Freiheit der Bürger eingreifen ... aber ... wer sie wählt, muss sich hinterher auch nicht wundern ... ok, ich schweife ab ...

Wenn wir also ohne größere, psychische Schäden das Internet verkraftet haben, rufen die anderen Pflegefälle zum Dienst und zwar pünktlich!!! Aktuell setzen wir Max auf´s Laufband so gegen 13:30H. Max kann die Uhr nicht, uns deswegen haben wir da 30 Minuten Spielraum. Manchmal haben wir auch mehrere Kandidaten fürs Laufband wie z.B. Caddy oder Valentina, die es aber hinter sich hat ... also das Laufband meine ich.

Dann kommt die Arbeitsliste für mich, und KaySi sagt mir, wo wie was zu reparieren ist oder eben ... aktuell feuersicher gemacht werden muss. Das bedeutet momentan mähen, mähen, mähen in den Bereichen, wo der Bauer mit der großen Mähmaschine nicht hinkommt. Ansonsten kann man sagen: kaputt ist immer was und repariert werden muss dauernd oder KaySi hat wieder mal eine geniale Idee, was man verbessern und bauen könnte. Ich liebe ihre Ideen.

So ist dann ganz schnell der Nachmittag rum und die Dame des Hauses klingelt zum Lunch. Das ist eine portugiesische Tradition und rührt vom englischen 5 Uhrtee her. Wir schlürfen den Tee auch um 17:00H und essen dazu eine Kleinigkeit. Dann geht es schon wieder raus.

Bevor die Pferde aus dem Tal gerufen werden, muss noch alles sauber gemacht werden, denn Hunde haben die unangenehme Eigenschaft, nicht lesen zu können und deswegen finden sie auch das WC nicht.

Dann werden alle Hunde eingesperrt, Yes! Einmal am Tag sollen sie auch merken, dass sie nicht zum Vergnügen hier sind und nicht nur um uns zu schikanieren, sondern auch umgekehrt. Ein Tierschutzhund muss auch mal eingesperrt werden, sonst ist es kein echter Tierschutzhund. Aaaalso ab in die diversen Schlafplätze, aber diesmal mit Türe zu. Dann können die Pferde unfallfrei in ihre Ställe rennen und sich über ihr Futter hermachen. Das dauert nur 5 Minuten und schon gehen alle Türen wieder auf und die gesamte Rasselbande rennt ins Tal zum weltberühmten Talgang. Jetzt ist es 17:45H und keine Minute später.

So und im nächsten Blog lest Ihr dann wie der Talgang abläuft, warum ich immer kochen muss, warum ich sehr spät ins Bett gehe und daher morgens nicht so früh fit bin, was wir noch so alles zwischendurch erledigen müssen und warum es uns nie langweilig wird, denn das, was ich bisher beschrieben habe, sind nur die Routinen an normalen Tagen, wie Wochenende, Feiertage, Weihnachten etc. Und dann erkläre ich Euch noch, warum die o.a. Experten eben doch keine solchen sind und nicht recht haben. Was macht den Clan zum Clan??? Das ist hier die Frage, die ich zu beantworten gedenke.

In diesem Sinne, ein Bild vom unvergessenen Rex und einen guten Wochenstart wünscht Euch

der Piitschai













5 Kommentare:

  1. Puhhhh.... da habe ich beim Lesen doch glatt die Luft angehalten. Bei der Frühstückauswahl sind KaySi (toller Name) und ich wohl seelenverwandt. Daumen hoch, toller Bericht! Bin schon voll gespannt auf die nächste Ausgabe und hoffe, dass ich bis dahin gelernt habe, beim lesen eures Tagespensums weiter zu atmen.

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  2. Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

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  3. Der gerade gelöschte Kommentar war nur ein Versuch meinerseits, da manche offenbar Probleme haben, hier im Blog zu kommentieren. Wie das geht, werde ich euch auf der Spikinet-Facebook-Seite erklären.

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  4. Sehr witzig und kurzweilig geschrieben... bitte mehr davon! Ganz besonders mag ich ja die "Experten" ;)

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  5. jetzt bin ich angemeldet, mal sehen obs klappt

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